Auf der Hinterbühne las Jochen Röhrig zwei Geschichten aus Siegfried Lenz’ Erzählband „So zärtlich war Suleyken“. Röhrigs sonore Stimme wurde von der Musikerin Shirley Schramm immer wieder mit
kurzen Kommentaren ihres Fagotts begleitet, wodurch der Ostpreußisch entschleunigte Humor des
Dichters noch betont wurde. Bereits der unaussprechliche polnische Ortsname des fiktiven masuri-
schen Marktfleckens, in dem „Das Bad in Wszscinsk“ seinen denkwürdigen Verlauf genommen ha-
ben soll, erheiterte das Publikum. Auch der Heldin der Erzählung, der betagten Tante Arafa, verlieh Röh-rig eine einprägsam geräuschvolle Stimme und redete sich bald in Rage. Grund für Tantchens Erregung
ist der greisenhafte Bruder des Wirts, der den ganzen Tag stoisch in der Wanne zu sitzen pflegt. Der Frau, die wegen der langen Reise ein Bad nehmen will, wird erklärt, dass der alte Mann gewohnt sei, mit
Fremden seine Wanne zu teilen. Tante Arafa lehnt das Angebot brüsk ab. Das von ihr erzwungene
Happy end ist spektakulär, denn der Wirt und ein behezter Helfer tragen den Holztrog samt Greis über den Hof und schütten den rebellischen Alten mit dem Wasser in den Abflussgraben. Ganz so abruptendete das Theaterfest nicht. …
Lothar Krone